Wir benennen unsere Kindershow neu. Es ist gar nicht so leicht, sich von einem lieb gewonnenen Titel (Simsala… Shakespeare!) zu lösen, aber wir ziehen unsere Konsequenzen aus dem letzten Wochenende. Wir haben in Berlin und im Umland gespielt, beides hat Spaß gemacht, vor allem in Berlin hatten wir eine großartige Location: Das Theater im Delphi. Hier wurden Szenen aus „Babylon Berlin“ und „John Wick“ gedreht, ich war sofort begeistert. Da unsere Show ja vom Stil her ziemlich retro ist, passten wir perfekt in das Ambiente des Hauses. Das Delphi wurde 1929 als Stummfilmkino eröffnet, aber schnell wieder dicht gemacht, da der Tonfilm aufkam. Die Stimmung abends war entsprechend gut. Wir haben begeisterte Zuschriften erhalten, besonders von mir selbst 🙂 Allerdings hat das Delphi (in Weißensee, nicht im Westen!) keinen Vorhang und wir mussten uns mit einer Spider Wand begnügen, die freundlicherweise ein befreundeter Zauberkünstler (Uwe!) mir vorbeigebracht hat. Lang lebe die Zauber-Community! Ein Anruf hat genügt.
Im Umland von Berlin war es etwas absurd: Als wir ankamen, deutete nichts auf unseren Auftritt hin, wir mussten direkt nochmal nachschauen, ob wir hier richtig sind; die Glasfassade der Stadthalle blitzte und blinkte, aber es gab kein Hinweis darauf, dass hier etwas stattfand. Der Techniker kam verspätet zum vereinbarten Termin und als ich ihn fragte, wo denn unsere Plakate hängen, ich hatte ja A1 Plakate geschickt, sagte er: Ach so, letzte Woche war der Glasreiniger da, da fehlte wohl der Hinweis, dass sie das Plakat wieder aufhängen sollen. Er grinste mich dabei an. „Ha!“ hab ich ausgerufen und war mir unsicher, ob ich zurücklachen oder die Stadthalle anzünden soll.
Unsere Techniker wollten noch ein paar Lichter aufhängen und fragten nach einer Leiter. Eine LEITER? Haben wir nicht. Alles klar. Keine Leiter in der Stadthalle. Sie wurde uns noch gebracht, vermutlich hatte sie sich jemand privat ausgeliehen.
Naja, wir hatten nur etwa 100 Gäste, aber die Stimmung war dennoch super.
Wir haben etwa 2.500 Euro Verlust gemacht an dem Wochenende, ein großer Spaß. Dabei haben wir aber zumindest die Erkenntnis gewonnen, dass der Titel unserer Show „Simsala…Shakespeare!“ einfach den Job nicht erfüllt, den ein Showtitel haben sollte: Die Show zu verkaufen. Das Problem war Shakespeare. So interessant sein Leben ist und so erstaunlich sein Werk, umso stärker scheint der Widerstand zu sein, in eine Show zu gehen, die den Namen Shakespeare in sich trägt. Vermutlich hat es etwas damit zu tun, dass angenommen wird, dass hier ein intellektueller Abend mit Zauberkunst geboten wird, was gar nicht das ist, was unsere Show ausmacht. Da haben wir uns VERTAN. Klipp und Klar. Die Show heißt nun Simsala!, so hatten wir sie eh genannt seit einiger Zeit, weil Shakespeare einfach zu lang ist. Jetzt kam noch die Frage auf, ob es besser ist, die Show „Kindershow“ oder „Familienshow“ zu nennen, Familienshow hört sich wertiger an als Kindershow, andrerseits ist gar nicht mehr klar heutzutage, wer genau eine Familie ist, zum Beispiel wenn sich die Eltern getrennt haben.
Das war auch Thema auf der Kinder-Theater-Börse, die dieses Jahr in Berlin stattfand und wo unter anderem der Kollege Felix Wohlfahrt auftrat. Ich hatte mich darauf eingestellt, von morgens 9 bis abends 19 uhr Shows zu gucken und damit auch das eine oder andere schwierige Stück. Ich wurde nicht enttäuscht. Ich kam in die erste Show und eine Kollegin spielte ein Huhn also sie führte eine kleine Huhn Puppe auf einer riesigen Bühne und die Illusion, dass das Huhn spricht, stellte sich nicht wirklich ein, denn das Huhn war sehr klein im Vergleich zu ihr und so dachte man, sie spricht ziemlich hühnermäßig, aber die Idee war wohl, dass das Huhn sprechen sollte, naja. Generell würde ich sagen, und das betraf die meisten Stücke, die ich gesehen habe: Wenn nach geschlagenen fünf Minuten von den Kindern keine Reaktion kommt, dann ist was falsch an dem Stück. Einer der wenigen, die die Publikumsinteraktion richtig drauf hatten und wussten, was Kinder wollen, war Felix. Nach einer Stunde Kinderprogramm gingen Kinder und Eltern bei ihm glücklich aus dem Theater. Es gab noch einen Clown, der auch Zaubertricks vorführte, aber sein Umgang mit dem jungen Publikum war brutal. Erst mal hatte er keinerlei Augenkontakt, seine Perücke verhinderte das. Dann war er sehr haptisch, ich finde es nicht schön, die Kinder physisch zur Verbeugung zu zwingen. Und wenn die Kinder reingerufen haben, dann hat er sie angeherrscht, dass sie sich melden sollen, bevor sie etwas sagen. Wow.
Etwas zwiespältig war auch ein Theaterstück, in dem es um Wörter ging, die Auftretenden hatten die Idee, Wörter zu verkaufen. Sie konnten allerdings nicht richtig Deutsch, was die Sache ungewollt komisch machte. Sehr schön war die Idee, sich auf der Bühne zu verstecken und dann aus einer Kiste zu kommen, allerdings mussten sich die Auftretenden etwas gesorgt haben, als die Ansage kam, dass sich die Show etwas verzögert, da wir noch auf eine Gruppe von Kindern warten müssen. Die beiden PerformerInnen konnten ja nicht widersprechen, sonst hätten wir sie gesehen!
Von Seiten des Veranstalters würde ich mir wünschen, dass bei einem KinderTheaterFestival auch Kinder da sind. Bei einigen Shows waren weder Kinder noch Erwachsene, bei einer hübschen Show „Gans der Bär“ waren wir nur zu zehnt im Publikum, davon drei Kinder – in einem 560er Saal! Das Theater am Strom aus Hamburg hat diese Hürde gut gemeistert, hat gleich alle anwesenden angesprochen (mit Namen, wir kannten uns) und haben so die unangenehme Situation der geringen Zuschauerzahl überbrückt.
Noch weniger ZuschauerInnen hatte das Kasperletheater, wir waren drei Mütter, drei Kinder und ich. Wir haben gerufen und Kinder gespielt so stark wir konnten. Kasperles Hund war mit dem Räuber mitgegangen und das ist nicht ok – auch nicht gegen das Versprechen einer Knackwurst, Süßigkeiten und einem Beutel voller Spielsachen.
Ein weiterer etwas nerviger Faktor war das Publikum selbst, das etwa bei einer Clownin, (Berenike Felger aus Stuttgart) die voller Hingabe spielte, ständig raus und rein ging in den Saal, besonders das Rausgehen war nervig, denn die Stühle waren hochklappende Kindosessel, die jedes Mal ein „Klapp“ Geräusch von sich gaben, wenn jemand aufstand. Das ständige Klappen der Stühle wäre was für Loriot oder Hape Kerkeling gewesen.
Ich hab ein tolles neues Buch, das ich mir gekauft habe: Scripting Magic von Pete McGabe. Ein Kunststück hat mich besonders angesprungen, da ging es um „Kokologie“ oder „Kokology“ auf englisch. Hatte ich noch nie von gehört. Kokologie basiert vermutlich auf dem Wort: Kokolores, Kokolores wiederum hat drei vermutliche Quellen: 1.Anlehnung an das Geschrei des Hahns Kokorikooo, zumindest in Frankreich. In England heißt Kikeriki cock-a-doodle-doo. Keine Ahnung was die für Hähne haben. 2.Berliner Szene etwa 1930, bei Kokskonsum kam es zu Logorhö, mit anderen Worten Redefluss, meist ohne Sinn und Verstand. 3.mittelhochdeutsch. Gaukler, vgl. goochelaar. Kokologie.
Der Effekt stammt von Chris Philpott und ist einfach ein Kartentrick, der oder die ZuschauerIn dreht eine beliebige Karte ohne sie anzusehen um und steckt sie mitten in das Kartenspiel verkehrt herum hinein. Beim späteren Ansehen der umgedrehten Karte stellt sich heraus: Die umgedrehte Karte hat der Zuschauer oder die Zuschauerin selber vorhergesagt! Das schöne an dem Kartentrick (und ich mag eigentlich Kartentricks nur mittelmäßig, ich bin noch geschädigt vom Jugendworkshop in Bielefeld…) ist die Geschichte, die dazu erzählt wird:
Die Geschichte zum Kunststück könnte wie folgt gehen:
Bitte schau dir erst einmal die karten an, ganz in Ruhe und wenn Du festgestellt hast, dass es normale Spielkarten sind, dann bitte ich Dich zu mischen. Jetzt gehst Du hinter den Rücken mit dem Kartenspiel, nimmst die oberste Karte und drehst sie um und steckst sie irgendwo etwa in die Mitte des Kartenspielst hinein. Danke. Das Spiel legst Du zwischen uns. Jetzt stell Dir folgendes vor: Du läufst durch eine Stadt, die Dir unbekannt ist, Du bist auf dem Marktplatz und Du findest eine kleine Gasse und beschließt, in die Gasse hineinzugehen. Wie heißt die Gasse? Am anderen Ende der Gasse versperrt Dir ein Tier den Weg. Was ist das für ein Tier? Das Tier trollt sich und Du gehst weiter und Du kommst in die Villengegend. Wunderschöne Häuser aus der Jahrhunderwende, eines aber zieht Dich besonders an. Du gehst auf das Haus zu, Du kannst nicht anders und als Du davor stehst, siehst Du, die Tür steht offen. Du wunderst Dich aber bemerkst bei genauerem Hinsehen den Grund. Du hast jetzt die Wahl: Ist die Tür offen weil: a) die Hausherrin oder der Hausherr schusselig ist, überall liegen Sachen herum, ein Spaten liegt mitten auf dem Weg. b) die Hausherrin oder der Hausherr Besuch erwartet, seine/ihre Lieben kommen jede Sekunde, daher steht die Tür schon offen, c) die Hausherrin oder der Hausherr putzt gerade, der Boden funkelt wie Diamanten, es riecht aber nach Essig, daher ist die Tür offen oder d) es wurde eingebrochen, da sind Spuren von Gewalt, ein Schläger liegt im Eingangsbereich. Welche Variante wäre Deine Wahl? Der Einbruch? Du hast den Drang nachzuschauen, doch es sind 13 Stufen bis zur Haustür, Du fängst an, die Treppe zu besteigen, also nicht sexuell natürlich, sondern mit den Füßen. An welcher Stufe ertönt der Ruf: Halt, was machen Sie da? An der 10.? Nun, damit ist die Geschichte bereits zu Ende und sie scheint kein Ende zu haben. Aber das stimmt nicht ganz, denn das Haus … bist Du selbst, ist symbolisch für Dein Bewusstsein. Die Entscheidungen, die Du getroffen hast, sagen viel über Dich aus. Ich weiß nicht was, aber es ist viel. Du bist zum Beispiel jemand, der jeden Scheiß mitmacht, das finde ich gut. Die Tatsache, dass Du den Einbruch gewählt hast, zeigt, dass Du immer das schlimmste annimmst und ein wahnsinnig pessimistischer Mensch bist. … dass Du das Putzen gewählt hast, zeigt, dass Du viele schmutzige Gedanken hast. … dass du die Lieben gewählt hast, zeigt, dass Du Dich nach Nähe sehnst, aber da niemand ist, denn die Tür ist offen und keiner da… dass Du die Unordnung gewählt hast, zeigt, dass Du die Kontrolle über Dein Leben verloren hast. Eine schöne Geschichte ich weiss. Aber was hat das mit dem Kartentrick zu tun? Nun, Du hast eine Karte umgedreht und es wäre natürlich jetzt toll, wenn Du eine Karte sagst und dies wäre die Karte, die Du gewählt hast, richtig? Das ist aber nicht nötig, denn Du hast die Karte schon gewählt. Du hast Dich für den Einbruch mit dem Schläger entschieden und der Schläger heißt auf Englisch Club, auf Deutsch Kreuz. Und 10 Stufen bist Du hinaufgegangen zur Haustür. Es ist alles vorherbestimmt. Du hast die Kreuz 10 gewählt. Und das bedeutet: Du bist ein toller Typ.
Desinfektion: Arm mit Hand verwechselt.
Thunderous Stray Kids
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