Abflug? Natürlich fliegen wir nicht… innerdeutsche Flüge sind meistens unnötig. Wir fahren mit zwei Autos am 03./04.09.2023 in Richtung GOP Varietee Bremen… bzw. mit anderthalb…. einem Sprinter und einem Smart. Der Sprinter ist immer noch beschädigt, das habe ich meiner Versicherung zu verdanken, die immer noch denkt, dass der Postweg das beste Mittel ist, um mit ihren KundInnen zu kommunizieren. Das ist reine Verzögerungstaktik. Immerhin verlangt die Versicherung nicht von mir, dass ich Telegramme schreibe. Das läuft meistens so ab: Ich frage nach zwei Wochen nach dem Stand bei meinem Berater und der schickt mir dann das postalisch versandte Schreiben nochmal per Email oder Whatsapp. Dann muss ich das ausdrucken und unterschreiben, einscannen und zurücksenden. Immerhin nicht per Post!
Ansonten war ich auf einem Schloss namens Schloss Drachenburg, was natürlich etwas verwirrend ist, denn ein Schloss ist ja eben keine Burg, sondern vor allem ein Prunkbau, das nicht zu Verteidigungszwecken diente. Insgesamt ist dieses Drachenburgschloss ein sehr merkwürdiges Ding und ich hatte das Gefühl, dass die Touristen, die dort mannigfach herumliefen, gar nicht wussten, was sie da genau fotografierten. Denn das Schloss wurde Ende des 19.Jahrhunderts gebaut, ist also etwa 150 Jahre jung und hatte nur den einzigen Zweck, nämlich der Prahlsucht des Bauherrn Stephan von Sarter zu genügen. Dieser hatte an der Börse sehr viel Geld gemacht und kaufte sich so in die noblen Kreise ein. Gewohnt hat er dort nie. Das im Stil der Neogotik und Neorenaissance gebaute Schloss erinnerte mich einerseits an den Kaisersaal in Bad Oeynhausen und gleichzeitig an das Schloss Neuschwanstein. Im Kaisersaal befand sich nie ein Kaiser und in Neuschwanstein nie ein Schwan. Allerdings hatte Ludwig II. den „Baron“ Sarter (der Adelstitel war gekauft) um einige Kuriositäten überboten. Doch der Reihe nach: Sarter lebte also nicht auf dem Schloss und starb kinderlos. Später wurde das Schloss für die Adolf-Hitler-Schule und die Deutsche Bahn benutzt, verfiel dann und wurde durch Paul Spinat restauriert. Spinat nannte sich selbst „Graf Spinat“ und empfing Gäste in einer Fantasieuniform auf einer Freitreppe, die ins Nichts führte. Er hatte einen Rolls Royce Silver Shadow in Gold. Er veranstaltete Orgelkonzerte, wobei die Orgel eine Attrappe war und die Musik von Band kam. Sogar seine Frau dachte, er könne Orgel spielen. Er trug in der Öffentlichkeit immer ein Toupet. Er bekam dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande. Exzentrisches Exponat des Interieurs der Burg ist ein Billardtisch. Passend zum Stil des Historismus wurde zum Beispiel die Sendung „Bares für Rares“ im Schloss aufgezeichnet.
Ebenfalls im Stil des Historismus ist eben auch das Schloss Neuschwanstein gebaut. König Ludwig hatte es vor allem errichten lassen, weil seine ungeliebte Mutter Marie, die eigentlich wohl ne ganz fortschrittliche Frau war, im Sommer das Schloss Hohenschwangau bewohnte und er es damit nicht bewohnen konnte im Sommer. Neuschwanstein ist um einiges höher gebaut als Hohenschwangau, Ludwig konnte quasi herunterspucken auf Hohenschwangau. Anders als Drachenburg wurde Neuschwanstein von Ludwig II wirklich bewohnt, auch wenn die Burg nicht einmal fertiggestellt war. Ludwig war exzentrisch und menschenscheu, wie ein bockiges Kind stelle ich ihn mir vor, das zum Beispiel beleidigt war, dass es nicht wie Ludwig XIV absolutistisch regieren durfte, sondern politisch von seinen Ministern abhängig war. Sein Schloss war technisch auf dem neuesten Stand, es gab ein Telefon und eins der ersten Wasserklosetts, vielleicht kommt daher der Begriff „auf dem Tron sitzen“ für „auf dem Klo sitzen“. Er hatte einen Puttenschlitten, der elektrisch beleuchtet war. Er hatte eine Art Bewegungsmelder, ein System um seine Bediensteten zu rufen und dank dieses System wussten seine Diener immer, wo sie ihn zu bedienen hatten. Er konnte von einem Wohnzimmer direkt in eine Grotte gelangen und dort wieder hinaus. Ich war auch einmal auf seinem Schloss Linderhof als ich in Bayern wohnte und habe mir dort die Grotte angeschaut. Er wollte einen Farbwechsel haben, entweder in Rot für die Venusgrotte aus Tannhäuser oder blau entsprechend der blauen Grotte von Capri. Die Firma BASF hat auf Anfrage es nicht geschafft, das Blau nach den Wünschen Ludwigs herzustellen. Allerdings kam dann BASF mit dem Indigo vier Jahre nach dem Tod Ludwigs heraus und legte so den Grundstein für die Blue Jeans.
Der Name Drachenburg soll ja etwas mit den Niebelungen zu tun haben, Siegfried soll hier den Drachen erlegt haben, daher gibt es auch am Fusse der Drachenburg die Niebelungenhalle, ein sehr merkwürdiges Jugendstil Gebäude. Allerdings gibt es keinerlei Beleg dafür, dass Siegfried wirklich im Siebengebirge aufgetaucht ist oder dass die Niebelungen etwas mit dem Drachenfels zu tun haben. Stattdessen geht das Wort Drachen wohl auf Trachyt zurück, ein Quarz oder Gestein, womit wohl auch der Kölner Dom gebaut wurde. Heinrich Heine hat zwar ein Gedicht über den Drachenfels geschrieben, es ist aber sehr kurz und nicht besonders positiv:
Und aus den Trümmern steigt ein tiefes Ächzen,
Es klirrt und rasselt, und die Eulen krächzen;
Dazwischen heult des Nordsturms Wutgebrause. –
Sieh nun, mein Freund, so eine Nacht durchwacht ich
Auf hohem Drachenfels, doch leider bracht ich
Den Schnupfen und den Husten mit nach Hause.
Und zum Schluss:
Was liegt zu Füssen von Neuschwanstein? Füssen.
Ich bekomme jetzt mehr Respekt im Fitness, ich seh zwar immer noch aus wie ein Hemd aber habe eine Polizei Berlin Flasche dabei.